Q&A: Digitale Assistenten im Dienste der Servicetechniker
Die Angebote für digitale Assistenten im Service boomen derzeit. Kein Wunder – sie bieten viele Vorteile, können den Service erleichtern und die Qualifikation der Mitarbeiter erhöhen. Damit das funktioniert, müssen die digitalen Assistenzanwendungen möglichst einfach, aber effektiv sein. Hierfür wurde eine clevere Lösung entwickelt. SERVICETODAY-Redakteur Michael Braun fragte Martin Jung, Business Development Manager, nach dem Konzept der neuen Twin Assist®-Lösung und wie Serviceorganisationen schnell davon profitieren können.
Michael Braun: Kurz gesagt, was bietet Twin Assist?
Martin Jung:Twin Assist ist eine Lösung, die den Benutzer visuell durch die Abläufe führt. Der Anwender kann selbst komplexe Serviceaufgaben ohne spezielle Vorkenntnisse schnell und sicher durchführen. Rückfragen oder das Durchsuchen von Handbüchern nach Informationen sind nicht mehr notwendig.
Michael Braun: Wie funktioniert das?
Martin Jung: Unsere Lösung erzeugt ein virtuelles Abbild einer Maschine oder eines Gerätes und zeigt es dem Anwender auf einer AR-Brille oder einem Tablet. Das Gute daran ist, dass der Nutzer dann beides im Auge behalten kann: das reale Gerät und den virtuellen Zwilling. Und daraus ergeben sich natürlich viele Möglichkeiten und auch Vorteile gegenüber anderen Technologien. Zum Beispiel kann ich den virtuellen Zwilling nach Belieben drehen und von allen Seiten betrachten. Ich habe auch die Möglichkeit, kleine Details heranzuzoomen oder größere Objekte herauszuzoomen. Bei großen Anlagen muss man sich oft einen Überblick verschaffen - dafür sollte man nicht durch die ganze Anlage gehen müssen.
Michael Braun: Wie ist die Idee dazu entstanden?
Martin Jung: Wir arbeiten gemeinsam mit unserem Kunden ASM Assembly Systems an innovativen Servicekonzepten. Im vergangenen Jahr haben wir unser Konzept für ein digitales Assistenzsystem entwickelt. Die Lösung wurde auf dem Servicekongress 2018 in München sowie auf der tekom-Messe vorgestellt. Auf Basis des Feedbacks haben wir den Ansatz weiterentwickelt. Die Anregungen bezogen sich im Wesentlichen auf die Usability und die Lizenzkosten.
Michael Braun: Wie funktioniert das Ganze?
Martin Jung: Die Lösung erzeugt ein virtuelles Abbild einer Maschine oder eines Gerätes und zeigt es dem Nutzer auf einer AR-Brille oder einem Tablet. Das Gute daran ist, dass der Nutzer dann beides im Auge behalten kann: das reale Gerät und den virtuellen Zwilling. Daraus ergeben sich natürlich viele Möglichkeiten und auch Vorteile gegenüber anderen Technologien.
Michael Braun: Was sind die entscheidenden Vorteile gegenüber anderen Konzepten und Technologien?
Martin Jung: Herkömmliche AR-Anwendungen nutzen virtuelle Overlays, die direkt über ein reales Objekt gelegt werden, um beispielsweise bestimmte Teile hervorzuheben. Dadurch verschiebt sich der Blick auf die Realität ein wenig. Wenn der Nutzer nach einem so markierten Teil greift, kommt seine Hand meist zwischen das reale Objekt und das virtuelle Overlay. Er sieht dann das Overlay auf seinem Handrücken und nicht mehr auf dem Objekt, das eigentlich hervorgehoben werden sollte. Unser Ziel war es, eine alltagstaugliche Lösung zu entwickeln, die die Informationen an der richtigen Stelle anzeigt und die auch Bewegungsmuster abbildet, ohne dass Overlays etwas verdecken.
Der zweite wichtige Punkt ist die Einschränkung der Objekterkennung in der Augmented Reality. Derzeit funktioniert diese bei sehr kleinen Objekten, z.B. kleinen Schrauben, nicht präzise genug. Kleine Abweichungen können hier für viel Verwirrung sorgen.
Michael Braun: Was war die Konsequenz daraus?
Martin Jung: Die beiden Anforderungen haben uns dazu veranlasst, von Overlays auf der realen Umgebung abzurücken. Wir haben uns gefragt, warum können wir nicht einen virtuellen Zwilling des Gerätes daneben abbilden. Das heißt, die virtuellen Highlights überlagern nicht das Gerät, sondern werden auf dem Assistance Twin angezeigt. Und nach und nach sahen wir immer mehr Vorteile, wie zum Beispiel das Drehen und Zoomen des virtuellen Objekts. Außerdem stellt die Anwendung geringere Anforderungen an die Rechenleistung der AR-Brille oder des Tablets und sorgt so für eine flüssige Performance. Und natürlich ist auch der Kostenaspekt für die Kunden sehr wichtig: Aktuelle Herausforderung - 3D-basiertes Tracking verursacht hohe Lizenzgebühren. Mit unserer Lösung entfällt dies und es werden keine teuren externen Lizenzen benötigt.
Michael Braun: Und wo sehen Sie konkrete Anwendungsmöglichkeiten für Twin Assist?
Martin Jung: Als digitales Assistenzsystem ist Twin Assist darauf ausgelegt, den Anwender bei seinen spezifischen Aufgaben zu unterstützen. Das können Servicetechniker sein, die eine Wartung durchführen müssen. Oder Bediener, die Unterstützung bei ihren vielfältigen Aufgaben in hochspezialisierten Umgebungen benötigen. Es kann auch in der Ausbildung eingesetzt werden, da wesentliche Prozesse direkt in der Umgebung vermittelt werden können.
Michael Braun: Wie kann die Anwendung in der Praxis funktionieren?
Martin Jung: Wir haben sehr viel Wert auf die Usability gelegt. Das bedeutet, dass die Bedienung extrem einfach ist. Unsere Kunden können schnell lernen, sich selbst in der Umgebung zurechtzufinden, unabhängig davon, ob eine AR-Brille oder ein Tablet verwendet wird. Schnittstellen zu Redaktionssystemen halten die Daten zudem auf dem neuesten Stand.
Michael Braun: Welche technischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Martin Jung: Am einfachsten ist es, wenn wir Computer Aided Design oder CAD-Daten verwenden können, die meist von Konstruktionsabteilungen erstellt werden. CAD-Daten werden schon seit Jahren an vielen Stellen in der technischen Dokumentation verwendet. Aber auch wenn CAD-Daten aus Sicherheitsgründen nicht verwendet werden dürfen, können wir mit einer 3D-Erkennungssoftware einen virtuellen Zwilling erstellen und die entsprechenden Informationen ergänzen. Um das Gerät oder die Anlage dann anzuzeigen, kann der Benutzer entweder ein Auswahlmenü nutzen oder einen Code an der Maschine scannen. Dadurch werden der Assistance Twin und alle dazugehörigen Informationen geladen. Eine Datenverbindung ist von Vorteil - die Lösung bietet aber auch einen Offline-Modus, so dass man auch in abgelegenen Räumen selbstständig arbeiten kann.
Michael Braun: Wer kann Twin Assist nutzen? Ist es eine Lösung für Serviceorganisationen in Unternehmen oder sehen Sie auch Modelle für externe Dienstleister, die mit Twin Assist neue Geschäftsmodelle entwickeln können?
Martin Jung: An einem Vertriebskonzept für Twin Assist wird derzeit gearbeitet. Es ist wichtig zu verstehen, dass Twin Assist nur das technische Frontend ist. Der wichtigste Teil ist die Erstellung und Bereitstellung von modularen Informationen im Hintergrund. Also das, was in der technischen Redaktion in einem Redaktionssystem erstellt wird.